Zu den Anforderungen an das Angebot einer Änderungskündigung

ArbG Düsseldorf, Urteil vom 02.06.2009 – 7 Ca 1010/09

Zu den Anforderungen an das Angebot einer Änderungskündigung

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 01.04.2009 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

3. Der Streitwert beträgt 27.480,00 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung. Des Weiteren begehrt der Kläger noch die Zahlung variabler Vergütung.

Der 50-jährige, verheiratete Kläger, Vater von 3 Kindern, ist bei der Beklagten seit dem 15.07.2008 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 40 ff. d. A.) als „Regional Sales Manager ITSM“ beschäftigt. Das Festgehalt beträgt jährlich 90.000,00 €. Hinzu kommt ein variables Gehalt. Der Kläger hatte ein Home-Office an seinem Sitz in I. und betreute Kunden. Die Beklagte, mit Sitz in G., bietet die Entwicklung von Software und Lösungen an, mit denen mittelständische und Großunternehmen Kundenbeziehungen verbessern und optimieren können. Der Vertrieb der Produkte erfolgt durch Sales-Manager, die Reisetätigkeiten ausüben. Der Schwerpunkt der Vertriebstätigkeit liegt in Süddeutschland.

Mit Schreiben vom 06.02.2009 (Bl. 67 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen zum 31.03.2009. Sie stellte den Kläger von der Arbeitspflicht frei. Mit Schriftsatz vom 01.04.2009 teilte die Beklagte mit, dass sie an der Kündigung nicht festhalte. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag (Bl. 114 d. A.) sprach die Beklagte eine Änderungskündigung zum 30.04.2009 aus. In diesem Kündigungsschreiben heißt es auszugsweise:

„Zugleich bieten wir ihnen an nach Ablauf der Kündigungsfrist, das heißt ab dem 01.05.2009, unter geänderten Bedingungen weiter für uns tätig zu werden, und zwar

– als „Manager of Internal CRM (Customer Relationship Management)“ im Innendienst

– in unseren Betrieb in G. (H..)

– zu einem Jahresbruttogehalt i. H. v. 50.000,00 €. Eine leistungsbezogene variable Vergütung („commission Plan“) und eine „Car Allowance“ werden nicht gezahlt.

Im Übrigen bleiben die Arbeitsbedingungen unverändert.“

Der Kläger nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 08.04.2009 (Bl. 115 d. A.) unter Vorbehalt an.

Der Kläger behauptet, trotz der Bezeichnung im Arbeitsvertrag als „Regional Sales Manager ITSM“ sei er für den Betrieb sämtlicher Produkte der Beklagten zuständig gewesen. Dies habe ihm auch sein früherer Vorgesetzter Herr I. am 20.05.2009 (Bl. 181 d. A.) bestätigt, was unstreitig ist. Er sei bereits im Vorstellungsgespräch darauf hingewiesen worden, dass er die gesamte Produktpalette zu verkaufen hätte. Er sei entsprechend im Zeitraum Juli bis Oktober 2008 in Seminaren für alle Produktlinien geschult worden. Ihm seien auch entsprechend andere Umsätze zugewiesen worden, was unstreitig ist. Er habe sich mit anderen Regional Sales Managern bei Urlaub oder Krankheit vertreten. Schließlich habe er die gesamte Produktpalette auf einer Messe in Berlin im November 2008 präsentiert. Auch andere Mitarbeiter seien als „Regional Sales Manager ITSM“ bezeichnet worden. Der Bezeichnung sei keine größere Bedeutung zuzumessen. Entfallen sei nicht sein Arbeitsplatz, sondern Arbeitsplätze als Vertriebsinnendienstmitarbeiter. Der Kläger meint, die neuen Vertragsbedingungen seien ihm nicht zumutbar. Sein Gehalt werde um mehr als 60 % gekürzt. Sein Aufgabengebiet im Innendienst sehe nunmehr wie folgt aus:

– Heraussuchen von Adressen und Telefonnummern neuer potentieller Kunden aus dem Internet,

– Herausfinden der geeigneten Ansprechpartner der potentiellen Kunden,

– Vervollständigung von Adressdateien in Exel-Tabellen,

– Terminvereinbarung für die Außendienstmitarbeiter der Vertriebsteams Nord und Süd bei potentiellen Kunden.

Im Übrigen habe die Beklagte keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt. So seien 2 Außendienstmitarbeiterinnen erst seit Februar 2009 dort eingesetzt. Zuvor seien diese Mitarbeiterinnen im Innendienst beschäftigt gewesen, was unstreitig ist. Der Kläger meint, das Änderungsangebot verstoße auch gegen das Bestimmtheitsgebot. Die Aufgaben eines Manager of Internal CRM seien unklar und unbestimmt.

Der Kläger macht weiterhin variable Vergütung für den Zeitraum ab Februar 2009 geltend. Er ist der Auffassung, aufgrund der Freistellung sei es ihm nicht möglich gewesen, weiteren Umsatz zu generieren. Die Beklagte befinde sich daher im Annahmeverzug. Sein Anspruch berechne sich auf Grundlage der letzten 3 Monate, also von November 2008 bis Januar 2009.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 01.04.2009, im Original dem Kläger zugegangen am 01.04.2009 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Februar 2009 das variable Gehalt i. H. v. 6.733,62 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 an den Kläger zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat März 2009 das variable Gehalt i. H. v. 7.255,29 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2009 an den Kläger zu zahlen.

4. Die Beklagten wird verurteilt, für den Monat April 2009 das variable Gehalt i. H. v. 7.255,29 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2009 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, es habe neben dem Kläger noch zwei Sales Manager für die Regionen Nord und Mitte sowie vier für die Regionen Süd und einen weiteren für das gesamte Bundesgebiet gegeben. Sie habe sich 2008 entschlossen, den Vertrieb des Produkts ITSM herauszulösen, um das Produkt stärker zu etablieren. Aus diesem Grunde sei die Stelle des Klägers geschaffen worden.

Es gebe nur einen Arbeitsvertrag mit einem „Regional Sales Manager ITSM“ sie habe Anfang 2009 festgestellt, dass ihre Erwartungen bzgl. der Vertriebslösung für das Produkt ITSM nicht erfüllt worden seien. Zudem sei die Struktur des Außendienstes abweichend von den tatsächlichen Gegebenheiten gewesen. Sie habe daher im Januar 2009 die Entscheidung getroffen, den Vertrieb neu zu strukturieren. Die Bereiche Nord, Mitte und Gesamt seien zusammengelegt worden. Nunmehr existierten nur noch 2 Bereiche: Nord und Süd, was unstreitig ist. Das Produkt ITSM solle nicht mehr separat angeboten, sondern in das Produktportfolio aller Vertriebsmanager aufgenommen werden. Entsprechend habe sie dem Kläger sowie zwei weiteren Mitarbeitern gekündigt, was unstreitig ist. Nach Ausspruch der Kündigung habe sich dann eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger am Sitz in G. als CRM aufgezeigt. Dabei handelt es sich um eine Stelle im Innendienst, in der es im Wesentlichen darum gehe sicherzustellen, dass Kundenbeziehungen gepflegt werden. Diese Stelle sei mit 50.000,00 € dotiert. Der alte Arbeitsplatz des Klägers sei ersatzlos entfallen. Das Änderungsangebot sei dem Kläger auch zumutbar. Es handele sich um eine verantwortungsvolle Stelle im Innendienst. Die Tätigkeit könne nicht in einem Home-Office ausgeübt werden. Der Stelleninhaber müsste während der üblichen Arbeitszeiten erreichbar sein. Innendienstmitarbeiter erhielten bei ihr üblicherweise lediglich 40.000,00 € brutto.

Die Beklagte macht geltend, dem Kläger stehe gem. IV Abs. 2 S. 2, 2 Alt. des Kompensationsplans 2009 keine Provision zu, da er ab Februar 2009 keinen Umsatz mehr generiert habe. Der Auszahlungsbetrag im Dezember 2008 habe Provision für die Monate Oktober und November 2008 sowie eine Nachzahlung enthalten. Deswegen könne nicht auf allen 3-Monats-Zeitraum abgestellt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie den gesamten weiteren Akteninhalt wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist, soweit sie entscheidungsreif ist, begründet.

I.

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils gem. § 301 ZPO liegen vor. Der Klageantrag zu 1 war entscheidungsreif.

II.

Der Klageantrag zu 1 ist begründet. Die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigungen vom 01.04.2009 sind nicht sozial gerechtfertigt. Die Änderungskündigung ist unwirksam.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das KSchG Anwendung. Der Kläger ist bei der Beklagten länger als 6 Monate ununterbrochen beschäftigt; die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer (§§ 1, 23 KSchG).

2. Die Änderungskündigung ist sozial ungerechtfertigt.

a) Nach der Legaldefinition in § 2 S. 1 KSchG liegt eine Änderungskündigung vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und im Zusammenhang mit der Kündigung dessen Fortsetzung zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet. Die Änderungskündigung ist daher ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als 2. Element ein bestimmtes bzw. bestimmbares, somit den Voraussetzungen des § 155 BGB entsprechendes Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen hinzukommen (BAG 17.05.2001 – 2 AZR 460/00). Das angestrebte Rechtsgeschäft muss vom Empfängerhorizont aus beurteilt in sich verständlich und geschlossen sein (BAG 16.09.2004 – 2 AZR 628/03). Dem gekündigten Arbeitnehmer muss ersichtlich sein, welche (wesentlichen) Arbeitsbedingungen künftig geltend sollen und welchen Inhalt das Arbeitsverhältnis zukünftig haben soll. Nur so kann der Arbeitnehmer seine Entscheidung über das Angebot in Kenntnis aller wesentlichen Vertragsbedingungen bzw. -änderungen treffen. Dabei genügt eine „Bestimmbarkeit“ des Angebots. Der Inhalt der Offerte ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu interpretieren und zu bestimmen. Ist danach das Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar, so führt dies zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG 16.09.2004 – 2 AZR 628/03).

Der Arbeitgeber muss dabei nicht sämtliche tatsächlichen Einsatzbedingungen angeben, andernfalls würde das Direktionsrecht des Arbeitgebers stark eingeschränkt bzw. entfallen (vgl. dazu LAG Nürnberg, 13.09.2005 – 6 SA 902/04). Das Änderungsangebot muss aber so konkret gefasst sein, dass es der Arbeitnehmer ohne weiteres annehmen kann. Ihm muss klar sein, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass der Arbeitnehmer von Gesetzes wegen innerhalb einer kurzen Frist auf das Angebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden muss. Im Interesse der Rechtssicherheit ist zu fordern, dass mit dem Änderungsangebot zweifelsfrei klargestellt wird, zu welchen neuen Arbeitsbedingungen das Arbeitsverhältnis fortbestehen soll. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen im Ergebnis zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG 15.01.2009 – 2 AZR 641/07).

b) Vor diesem Hintergrund ist das Gericht der Auffassung, dass das Angebot der Beklagten nicht hinreichend bestimmt ist.

Mit der Bezeichnung „Manager of Internal CRM (Customer Relationship Management)“ sind die künftigen Tätigkeiten nicht hinreichend beschrieben. Auch wenn das Änderungsangebot nicht jeden einzelne beabsichtigte Tätigkeit vorsehen muss, um dem Direktionsrecht des Arbeitgebers einen Raum zu geben, so ist die von der Beklagten verwendete Bezeichnung nicht hinreichend bestimmt, insbesondere um die Wertigkeit der kommenden Aufgaben zu beschreiben. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem Begriff „Customer Relationship Manager“ nicht um einen in der IT-Branche anerkannten Begriff. Der Begriff „Customer Relationship Management“ (Kundenbeziehungsmanagement oder schlichtweg Kundenpflege) ist in nahezu allen Branchen zu finden. Die Kundenpflege ist ein weites Feld. Es kann um die Gewinnung von Neukunden, um die Pflege von Bestandskunden oder um die Reaktivierung von früheren Kunden gehen. Entsprechend können unterschiedliche Tätigkeiten anfallen. Hierzu können zählen die Pflege von Datenbanken, etwa durch einfache Eingabe von Daten, aber auch die Analyse der Daten und anschließender Entscheidungsfindung. Zur Kundenpflege kann auch die gezielte Kundenansprache oder die Erstellung von Angeboten zählen. Entsprechend können auch die Wertigkeiten der Tätigkeiten unterschiedlich aussehen.

Dem steht nicht entgegen, dass etwa im ursprünglichen Arbeitsvertrag der Partei lediglich die Bezeichnung „Regional Sales Manager ITSM“ zu finden ist. Eine solche kurze Bezeichnung kann auch in einem Änderungsangebot ausreichend sein, wenn damit ein aus anderen Umständen heraus bestimmtes Angebot zu erkennen ist, das auch i.S.d. Schriftform (§ 623 BGB) hinreichend Anklag gefunden hat. Diese kann etwa dann gelten, wenn die Beklagte dem Kläger mündlich die Tätigkeiten näher erläutert oder ihm im Vorfeld eine Stellenbeschreibung übereicht hätte.

Zum Zeitpunkt des Vertragsangebots am 01.04.2009 standen daher die Arbeitsbedingungen als „Manager of Internal CRM (Customer Relationship Management)“ im Innendienst nicht hinreichend fest. Nach dem insoweit unstreitigen Sachvortrag des Klägers im Termin am 02.06.2009 erhielt er eine Stellenbeschreibung erst Mitte Mai 2009. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss für den Empfänger bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung das Angebot hinreichend klar bestimmt sein (BAG 15.01.2009 – 2 AZR 641/07). Es ist daher unzureichend, wenn der Arbeitgeber durch spätere Übergabe einer Stellenbeschreibung die Arbeitsbedingungen klarstellt. Dies gilt erst recht, wenn die Stellenbeschreibung erst nach Ablauf der 3-wöchigen Annahmefrist i. S. d. § 2 S. 2 KSchG übergeben wird.

c) Vor diesem Hintergrund ist die Änderungskündigung mangels Bestimmtheit des Änderungsangebots insgesamt unwirksam.

III.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

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